Insgesamt waren weniger Menschen auf der ProWein, als ich es erwartet habe. Gefühlt war es nicht so voll wie an den Sonntagen in den letzten Jahren. Wie auch immer, ich habe wieder einiges entdeckt:
Ganz ungeplant starte ich in diesem Jahr meinen Verkostungsmarathon an einem türkischen Stand. Wie die gerahmten Urkunden zeigen, sind hier viele von Mundus Vini ausgezeichnete Weine. Tatsächlich handelt es sich bei Sevilen um den zweitgrößten Weinhersteller der Türkei. Die 10 Millionen Flaschen die sie jedes Jahr produzieren werden mittlerweile in 23 Länder exportiert. Die prämierten Weine sind alle aus den üblichen, internationalen Rebsorten gemacht. Mich interessieren hier aber eher die autochthonen Varianten. Zum Beispiel der Nativus, ein reinsortiger Weißwein aus Narince, wie mir gesagt wird wohl die bekannteste türkische Rebsorte. Übersetzt auf Deutsch bedeutet Narince Sensibilität. Vom Geschmack her erinnert mich dieser Wein an einen klassischen Übersee-Chardonnay. Blumig und süffig. In den Regalen deutscher Händler sind türkische Weine bisher kaum zu finden, nur in vereinzelten Restaurants da in türkischen Restaurants häufig kein Alkohol ausgeschenkt wird. Ich bin gespannt auf die Entwicklung, denn geschmacklich haben mich die Weine aus der Türkei definitiv positiv überrascht.
Die beiden deutschen Hallen sind am frühen Mittag noch nicht so in Fahrt. Vermutlich klappert das Publikum heute erst einmal die Stände der ausländischen Winzer ab, da diese am dritten Tag oft schon früh abreisen.
Einer der Stände an dem es doch schon ziemlich voll ist, ist der von Winzer Christian Nett und seinem Team. Hier glitzern manche Flaschen sogar aufgrund von Swarovski-Steinen. Interessanter Klimbim. Aber was soll ich sagen: Hier ist der Name wirklich Programm. Ich werde sofort sehr nett beraten und verkoste unter anderem einen gelben Muskateller. Goldgelb im Glas, tolle, präsente Nase und lecker fruchtig wie es sein muss. Faszinierend finde ich übrigens auch, wie bodenständig das Team geblieben ist, obwohl in der letzten Zeit doch recht viel PR- und Marketing gemacht wurde und die Aufmerksamkeit im Moment boomt. Dennoch nimmt man sich hier Zeit für sein Gegenüber, egal ob es sich um ein neues, oder ein bereits bekanntes Gesicht handelt. Diese Authentizität beeindruckt mich und sie ist sicherlich ein wichtiges Fundament, um eine Marke dauerhaft stark zu machen.
Beim Schlendern fällt mir der Iris Dry Gin ins Auge. Da muss ich natürlich kurz stehenbleiben und ein Foto machen. Plötzlich steht die Herstellerin neben mir und siehe da, sie hat dem Gin ihren Namen gegeben. Meine Namenspartnerin wohnt im Schwarzwald und stellt dort seit Jahren ihren eigenen Wein und seit kurzem eben auch ihren eigenen Gin her. Und die Betonung auf dem „eigen“ ist mir auch deshalb an dieser Stelle so wichtig, weil Iris nur Weine herstellt die ihr selber schmecken und sie so auch den Gin macht. Es gibt nicht mehrere Geschmacksvarianten sondern nur eine Variante nämlich die, die ihr am besten schmeckt. „Was ich davon verkaufe ist gut und was übrig bleibt trinke ich dann eben selber mit Genuss“, lacht sie. Die Kräuter für ihren Gin hat Iris in ihrem Garten gesammelt und auf allem erst einmal kräftig herumgekaut um die Aromen klar erfassen und eine Entscheidung treffen zu können. Brombeerblätter, Lavendel und englische Rosenblüten sind nur ein paar von den Botanicals, die es dann tatsächlich in den Iris Gin geschafft haben.
An den Ständen in der Champagner-Lounge ist man vielbeschäftigt. Vor allem mit sich selbst. Die schicke, einladende Atmosphäre trügt insofern, dass man sich hier ohne Kontakte oder einen konkreten Termin eher überflüssig fühlt. Aber ich will unbedingt einen Rosé Champagner zu meinem selbstgeschmierten Käsebrötchen! Und am liebsten noch irgendwo die Füße hochlegen, aber Sitzgelegenheiten gibt es nur innerhalb der Stände. Also heißt es beißen – ins Käsebrötchen natürlich und weiterlaufen… Von Bling-Bling zu noch mehr Bling-Bling. Ganz am Ende der Lounge probiere ich dann doch noch einmal ganz tapfer französische Aufmerksamkeit zu erlangen – und was soll ich sagen: Am Stand von Champagne Pierre Mignon klappt es. Man sieht mich, spricht freundlich mit mir, obwohl es parallel auch andere Kundengespräche gibt und bietet mir tatsächlich wie selbstverständlich diverse Köstlichkeiten zur Probe an. Darunter der Coeur d’Or, das goldene Herz, Jahrgang 2006, den ich übrigens fantastisch fand. Trotz seines Alters hat der Coeur D’Or noch fröhlich fruchtige Perlen und überhaupt keinen Muff sondern eine herbe und doch harmonische Eleganz im Abgang. In fantastischen Sphären wird sich dann wohl auch der Preis für eine Flasche befinden. Aber das ist mir gerade egal. Ich genieße einfach.
www.champagne-pierre-mignon.com
Nach meinem Champagner-Abenteuer betrete ich die Portugal-Halle in freudiger Erwartung auf einen grandiosen Portwein. So der Plan, der aber gleich wieder durchkreuzt wird von Patricia Alves de Sousa, die mir erst einmal ihre Douro-Weine vorstellt. Zum Glück! Denn so komme ich in den Genuss des großartigen, mundfüllenden Quinta da Gaivosa 2013, prämiert mit einer Goldmedaille bei Mundus Vini. Er ist so frisch in der Flasche, dass noch nicht einmal die Etikettierung für die Rückseite fertig war. Ich verkoste also ein Sample. So ein hochklassiger Wein wird übrigens nur in den besten Jahren hergestellt und das schmeckt man einfach. Ich bin im Übrigen gleich überwältigt von der freundlichen Offenheit der Portugiesen. Hier fühlt man sich nicht nur Willkommen, sondern irgendwie daheim. So als ob man dazugehört und sich schon ewig kennt. Jetzt freue ich mich noch mehr auf meine nächste Weinreise! Obrigado!!!
Und dann darf ich einen aus der Königsklasse testen: Einen 40 Jahre alten White Port der Marke Kopke, einem dem ältesten Portweinhäuser überhaupt. Beim Genuss eines solchen Tropfens wackelst du mit den Ohren, auch wenn du es physisch eigentlich garnicht kannst. Diese weiche Karamelligkeit und trotz seines Alters hat er noch klare Fruchtaromen… Nach dem Einschenken wandert der Arm der Dame unmerklich schützend vor das Spittoon. Ich grinse innerlich. Zum Glück bin ich mittlerweile Portexpertin genug, um zu wissen, dass die Portugiesen es als Affron verstehen, wenn man einen solchen Port spuckt oder einen noch so kleinen Rest aus dem Glas ausgießt. Ich könnte es sowieso nicht übers Herz bringen. Hier ist jeder Schluck nicht nur ein Erlebnis sondern auch kostbar. Eine kleine Flasche (0,375l) kostet in etwa 120 Euro auf dem deutschen Markt.
Zum Abschluss meines Streifzugs durch die ProWein führt mein Weg in die Überseehalle in einen Stand aus meiner zweiten Heimat. Am Stand der Calabria Family Wines darf ich den Durif verkosten. Durif so lerne ich, ist ein anderer Name für die Rebsorte Petite Syrah. Das riesige, familiengeführte Unternehmen hat Weingärten in mehreren australischen Anbaugebieten erworben und produziert unterschiedliche Linien. Der Durif aus der Three Bridges Linie ist ein Rotwein, der aus jahrzehntealten und dementsprechend fragilen Reben hergestellt wird. „Wir müssen jedes Jahr aufpassen, dass wir pro Weinstock nicht mehr als 1 – 2 Trauben hängen lassen, damit der Rebstock nicht unter dem Gewicht der Trauben abknickt und das Holz zerbröselt.“, erklärt mir Andrew Calabria. Wenn man solche Geschichten aus dem Mund des Winzers persönlich hört, wird man schon sehr ehrfürchtig. Dann ist auch hier nichts mehr mit spucken. Ein solcher Wein gehört am Herzen vorbei in den Bauch und nirgendwohin sonst.
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